Der Satzakzent
Im Deutschen hat jedes Wort, das aus zwei oder mehr Silben besteht, einen festen Wortakzent. Die Akzentuierung wird mit Hilfe der Lautstärke realisiert. Im Satz werden jedoch nicht alle akzentuierten Silben betont ausgesprochen.
Abgesehen von sehr kurzen Sätzen werden Sätze beim Sprechen in mehrere Sprecheinheiten (Akzentgruppen), die jeweils aus mehreren Wörtern bestehen, aufgeteilt. Die Grenzen zwischen den einzelnen Sprecheinheiten und die Grenzen zwischen inhaltlichen Einheiten überlappen sich in der Regel, stimmen aber nicht immer überein. Die Länge der Sprecheinheiten verlängert oder verkürzt sich je nach der Sprechart, zum Beispiel der Sprechgeschwindigkeit, wodurch sich automatisch auch die Anzahl der Sprecheinheiten verändert. In jeder Sprecheinheit übernimmt jeweils nur ein Wort (eine Silbe) den Betonungsakzent.
Beispiel: Er wollte sich gestern Nacht mit seinen Freunden unterhalten.
4 Akzentgruppen
Er wóllte sich | gestern Nácht | mit seinen Fréunden | unterhálten.
3 Akzentgruppen
Er wóllte sich | gestern Nácht | mit seinen Fréunden unterhalten.
2 Akzentgruppen
Er wollte sich gestern Nácht | mit seinen Fréunden unterhalten.
1 Akzentgruppe
Er wollte sich gestern Nacht mit seinen Fréunden unterhalten.
In der folgenden sinnfreien Sprechübung („na“ = eine Silbe) können Sie den Sprechrhythmus üben, indem Sie die einzelnen Silben entweder stark (betont) oder schwach (unbetont) aussprechen. Schlagen Sie dazu im gleichen Rhythmus zum Beispiel auf den Tisch. Die senkrechten Striche ( | ) markieren die Grenzen zwischen den Akzentgruppen.
Bei Sprachen, bei denen die Akzentuierung mit Hilfe der Lautstärke realisiert wird — zum Beispiel Deutsch oder Englisch —, entsteht automatisch ein Stark-Schwach-Rhythmus, in dem man mit gleichmäßigen Intervallen von starken Silben (von einer starken Silbe zur nächsten starken Silbe) spricht. Eine unbetonte schwache Silbe wird dabei tendenziell schneller und leichter ausgesprochen, wobei auch eine Abschwächung oder Auslassung einzelner Laute beobachtet werden kann. Besonders schwache Vokale wie [ə] oder [ɐ] werden zurückhaltend ausgesprochen und sie tragen nie den Akzent.
Versuchen Sie das folgende Beispiel so zu sprechen, dass die Abstände zwischen den betonten Silben möglichst gleichmäßig sind.
Um den Abstand zwischen der jeweils betonten Silben in Gruppe 2 und Gruppe 3 zu verkürzen, wird die erste unbetonte Silbe in Gruppe 3 in [ɪn] der nachfolgenden betonten Silbe Bre [bʁeː] vorangestellt schnell und leicht gesprochen. In einer natürlichen Aussprache wird dabei das n [n] von in [ɪn] der Aussprache des nachfolgenden b [b] angeglichen und zu [m], es wird also auch bilabial ausgesprochen. Gruppe 3 wird folglich [ɪmbʁéːmən] gesprochen.
Sprechen Sie bitte noch einmal.
Sprechen Sie jetzt den gleichen Satz mit zwei Akzentgruppen.
Weil in der ersten Akzentgruppe die unbetonten Silben (Wir waren [viːɐvaːʁən]) vor der betonten Silbe schnell gesprochen werden, fällt bei einer natürlichen Aussprache das e [ə] der Verbendung en [ən] weg.
Sprechen Sie bitte noch einmal.
Nun betrachten wir den Fall, dass der ganze Satz als eine Akzentgruppe gesprochen wird. Der ganze Satz wird also in einem Atemzug gesprochen, wobei der Akzent (der Satzakzent) auf der ersten Silbe des Nomens am Satzende, also auf der ersten Silbe von Bremen liegt.
Bitte sprechen Sie auch folgende Beispiele.
∗Das n [n] von ein [a͜ɪn] wird in der Aussprache dem nachfolgenden b [b] angeglichen und [m] gesprochen.
∗Das e [ə] am Ende von habe[haːbə] fällt weg, wodurch das b, das nun am Wortende steht, stimmlos ausgesprochen wird (hab [haːp]). Das e [ə] am Ende des Partizip Perfekts gegessen fällt weg.
Die Intonation
Prosodische Charakteristika einer Sprache werden auch in der Intonation, den Veränderungen der Tonhöhe, die nicht an einen Einzellaut gebunden sind, deutlich. Im Deutschen bezeichnet die Intonation auf der Basis der Akzentuierung, die den Sprechrhythmus bestimmt, die melodische Gestaltung einer Äußerung. Durch den Tonhöhenverlauf werden die Gliederungsstellen der Äußerung gekennzeichnet und wird am Ende des Satzes ausgedrückt, ob die Äußerung z.B. eine Aussage, eine Aufforderung oder eine Frage ist.
Die in drei Lagen aufgegliederten Schaubilder unten bilden die menschlichen Stimmlagen beim Sprechen ab. Der Bereich in und um die mittlere Lage ist der Bereich, in dem normalerweise ohne große Anstrengung ausdauernd und kräftig gesprochen werden kann. Bei folgenden Verlaufsmustern wird jede Silbe mit einem Strich ( – ) gekennzeichnet. Silben mit einem Satzakzent werden mit einem Akut ( ´ ) markiert. Steigende oder fallende Töne werden durch einen Strich ausgewiesen, der jeweils die Richtung angibt.
Bei Erzählungen, Forderungen, oder Nachfragen (mit einem Fragewort) werden Formen mit fallender Tonhöhenbewegung verwendet. In der letzten akzentuierten Silbe, der Satzakzentsilbe, steigt die Tonhöhe. (Die Bewegung setzt in der Vorakzentsilbe ein, deren Tonhöhe tiefer als die Akzentsilbe liegen muss.) Danach fällt sie bis an die untere Grenze des Sprechstimmumfangs, also ganz nach unten. Sind keine Silben nach der akzentuierten Silbe vorhanden, so fällt die Tonhöhe noch in der Akzentsilbe bis zum unteren Ende der unteren Lage.
Bei Ja/Nein-Fragen sowie bei Nachfragen mit gewisser Intimität (z.B. im Verkaufsgespräch oder im Gespräch mit Kleinkindern) oder in einem Fragmentsatz („Und du?“) werden steigende Tonhöhenbewegungen gewählt. Nach den Vorakzentsilben kommt eine Absenkung der Tonhöhe in der Akzentsilbe vor. Nach der Akzentsilbe steigt dann die Tonhöhe in der Nachakzentsilbe bis in die obere Lage, u.U. bis an die obere Grenze des Sprechstimmumfangs, deutlich an. Sind keine Silben nach der akzentuierten Silbe vorhanden, muss der Tonhöhenanstieg im Akzentvokal selbst realisiert werden.
Üben Sie das bitte mit den folgenden sinnfreien Lauten. Bei der Aussprache sollte auf die betonten und unbetonten Silben, sowie auf die Tonhöhenbewegung geachtet werden. Machen Sie diese Übung mehrmals und versuchen Sie, dabei immer ein bisschen schneller zu werden.
Nun üben Sie bitte mit einem richtigen Satz.
Nun üben Sie bitte mit einem richtigen Satz.
Üben Sie mit den nächsten Beispielen auf die gleiche Art und Weise.
Beim Erlernen einer Sprache ist es äußerst wichtig, prosodische Charakteristika der Sprache kennen zu lernen und sich den Sprechrhythmus anzueignen. Auch wenn jeder einzelne Ton korrekt ausgesprochen und der Wortakzent richtig gesetzt wird, kann es sein, dass die Bedeutung einer Aussage nicht oder falsch verstanden wird, weil Fehler beim Satzakzent oder der Intonation gemacht wurden. Sie können so die Quelle diverser Missverständnisse sein.
Im Deutschen können durch die Wahl der Artikel und Hilfsverben oder durch Unterschiede in der Wortstellung Nuancen ausgedrückt werden, aber Satzakzent und Intonation bestimmen die Bedeutung eines Satzes etwa ganauso stark wie Wortwahl und Grammatik.
(als Aussage zum Thema „was ist das?“)
(als Aussage zum Thema „welches ist die Schule?“)
Auch Elementen, die normalerweise keinen Akzent tragen, wie z.B. Pronomen, Präpositionen oder Konjunktionen, die auf Satzebene in der Regel unbetont sind, oder nichttrennbaren Vorsilben, die auf keinen Fall betont gesprochen werden, kann der Satzakzent zugewiesen werden, um zum Beispiel einen Kontrast auszudrücken. Andersherum gesagt: Wenn in objektiven oder neutralen Aussagen ein normalerweise unbetontes Wort mit Akzent gesprochen wird, wird dies so interpretiert, dass dieses Wort kontrastiv gesprochen und extra betont wurde. Hierbei ist also Vorsicht nötig.
Er geht heute zum Káufhaus.
(objektiv, neutral )
Ér geht heute zum Kaufhaus.
(Er geht, nicht jemand anders.)
Er géht heute zum Kaufhaus.
(Normalerweise fährt er.)
Er geht héute zum Kaufhaus.
(Eigentlich hatte er vor, morgen (gestern) zu gehen.)
Er geht heute zúm Kaufhaus.
(Er geht nicht hinein.)